Seit langem bekannt und überhaupt nicht erfreulich ist die extrem angespannte Haushaltslage. Seit dem vergangenen Jahr überwacht der Stabilitätsrat – ein Gremium, das aus dem Bundesfinanzminister, dem Bundeswirtschaftsminister und den Länderfinanzministerinnen und -ministern besteht – laufend die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern. Im Rahmen des hier etablierten Frühwarnsystems sind vier Länder auffällig geworden.
Nach eingehender Untersuchung im Rahmen eines gesetzlich vorgeschriebenen Evaluationsverfahrens wird der Stabilitätsrat voraussichtlich im Mai die Feststellung treffen, dass diesen vier Ländern – Bremen, Saarland, Berlin und Schleswig-Holstein – eine Haushaltsnotlage droht.
Damit wird ein fünfjähriges Sanierungsverfahren eröffnet. Entfernte Assoziationen mit kommunalen Haushaltssicherungskonzepten sind durchaus angebracht; nur spielt sich das Verfahren hier auf anderen Ebenen mit anderen Beteiligten ab.
Der Stabilitätsrat schließt – so sieht es das Gesetz zur Bildung eines Stabilitätsrats vor, das mit der Zweiten Föderalismusreform in Kraft getreten ist – mit jedem der betroffenen Länder ein Sanierungsprogramm ab.
In dem Sanierungsprogramm sind die angestrebten Abbauschritte der jährlichen Nettokreditaufnahme festgelegt sowie »die geeigneten Sanierungsmaßnahmen« (Originalzitat); der bestimmte Artikel und die Wahl des Plurals deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber tatsächlich die Gesamtheit aller für erforderlich angesehenen Sanierungsmaßnahmen meinte.
Es obliegt dem Land, hierfür Vorschläge zu unterbreiten. Diese Vorschläge kommen auf den Prüfstand des Stabilitätsrats.
Vorausgesetzt ist, dass die Maßnahmen in der alleinigen Kompetenz des jeweiligen Landes liegen. Niemand kann sich also darauf berufen, er strebe eine Bundesrats-Initiative zur Änderung von Bundesrecht an.
Das Land setzt das Sanierungsprogramm in alleiniger Verantwortung um. Alle sechs Monate werden die Anstrengungen des Landes zur Haushaltskonsolidierung überprüft – auf der Grundlage von halbjährlichen Sanierungsberichten.
Anders als im kommunalen Haushaltsrecht gibt es auf der Ebene des Bundes und der Länder jedoch nicht die ultima ratio eines Staatskommissars, der die Geschäfte der Gebietskörperschaft übernimmt.
Seine disziplinierende Wirkung erreicht der Stabilitätsrat vielmehr durch öffentlichkeitswirksame Verwarnungen; das Gesetz formuliert in trockener Amtssprache:
» … beschließt der Stabilitätsrat eine Aufforderung zur verstärkten Haushaltssanierung.« Derartige Verwarnungen sind für das betreffende Land äußerst unangenehm insbesondere, wenn sie wiederholt ausgesprochen werden.
Und für Wiederholungen gibt es viele denkmögliche Anlässe:
- wenn das Land ungeeignete oder unzureichende Vorschläge für Sanierungsmaßnahmen vorlegt,
- wenn die notwendigen Maßnahmen nicht ergriffen wurden,
- wenn die vereinbarten Maßnahmen nur unzureichend umgesetzt werden,
- wenn die tatsächliche Nettokreditaufnahme von der vereinbarten abweicht,
- wenn auch bei vollständiger Umsetzung des vereinbarten Sanierungsprogramms weiterhin eine Haushaltsnotlage droht.
Das Sanierungsverfahren, auf das sich Berlin einstellen muss, ist jedoch nur einer von drei Eckpunkten, an denen sich der finanzpolitische Kurs ausrichten muss.
Der zweite Eckpunkt ist die – ebenfalls im Zuge der Zweiten Föderalismusreform eingeführte – grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse, die von den Ländern einen strukturell ausgeglichenen Haushalt ohne Nettokreditaufnahme ab dem Jahre 2020 verlangt.
Wie die Einzelschritte auszurichten sind, lässt das Grundgesetz offen (was eine landesrechtliche Regelung nicht ausschließt). Klar ist jedenfalls:
Der Haushaltsausgleich muss im Jahre 2020 sicher erreicht werden. Der dritte Eckpunkt sind die Konsolidierungshilfen, auf die fünf Länder – Bremen, Saarland, Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt – in dem Zeitraum von neun Jahren (2011 bis 2019) Anspruch haben.
Diese Konsolidierungshilfen, die von Bund und allen Ländern gemeinsam finanziert werden, sollen es den fünf Ländern mit Anspruch auf Hilfen ermöglichen, trotz ihrer schwierigen Haushaltssituation den strukturellen Haushaltsausgleich bis 2020 zu erreichen.
800 Millionen Euro stehen pro Jahr als Hilfeleistung zur Verfügung, Berlin erhält davon 80 Millionen Euro. Geknüpft sind diese Hilfen an strikte Konsolidierungsauflagen: Die strukturellen Haushaltsdefizite müssen, beginnend mit dem Jahre 2011, um jährlich ein Zehntel zurückgeführt werden. Gelingt das nicht, entfällt unmittelbar der Anspruch auf Hilfen der bundesstaatlichen Gemeinschaft. Alle drei Eckpunkte fordern einen außerordentlich strikten finanzpolitischen Kurs, auf dem die Ausgaben bis 2020 den Einnahmen angeglichen werden.
Obwohl wir damit rechnen, dass die Steuereinnahmen im langfristigen Mittel – konjunkturbereinigt – mit etwa 2 ½ % pro Jahr ansteigen, müssen wir noch den Abbau der Solidarpaktmittel für die neuen Länder und Berlin bewältigen – die derzeit mit anderthalb Milliarden Euro noch 7 % des Haushalts finanzieren.
Der zulässige Ausgabenzuwachs ist damit auf 0,3 % pro Jahr beschränkt; was faktisch bedeutet: Wir müssen die Ausgaben einfrieren, und das über einen ganzen langen Zeitraum von zehn Jahren.
Die Berliner Finanzpolitik steht damit vor gewaltigen Herausforderungen.
Iris Spranger